1. |
||||
Wie die Dieselmotoren rattern
und hoch von den Balkonen
Fahnen in allen Farben flattern
und darüber Tauben thronen
Schwalben sausen durch die Gassen
und Blicke fliegen hinterher
Auf den Tischen sammeln sich Tassen
und herum der Touristenverkehr
Frauen winken mit bunten Fächern
das sehen die Störche so gerne
hoch oben von ihren Kirchendächern
In einer Stadt in der Ferne
Ein Maler steht mit gebräuntem Genick
am bevölkerten Straßenrand
und die Leute bewundern den festen Blick
und die frei tanzende Hand
Hinter seinem Pinselstrich
scheint das harte Licht etwas milder
und er weiß die Welt ist lediglich
nur ein Abbild seiner Bilder
Und er fängt einen Mann in den Strichen ein
dass er darin zu leben lerne
dann lächelt er leise in sich hinein
in einer Stadt in der Ferne
Ich wanderte durch alle Gassen
und durch viele seiner Bilder
auch wenn die Farben langsam verblassen
sie strahlten für uns beide wilder
Und in den Schwalben, den Störchen, den Tauben
hab ich stille Komplizen gefunden
sie sangen zu ihren Himmelsschrauben
den Soundtrack meiner Stunden
Ich kannte jedes dunkle Loch
jede helle Straßenlaterne
und in meinen Gedanken da leuchten sie noch
In meiner Stadt in der Ferne
(MP2013)
|
||||
2. |
Ach, Berlin
05:55
|
|||
Du wurdest in tausend Liedern besungen
hast nach Freiheit, nach Kunst und nach Irrwitz geklungen
rochst nach Neubeginn und Terpentin
und dein unbekannter, vertrauter Klang
war wie ein geheimnisvoller Gesang
ein nicht tot-zu-kriegender Evergreen
Ach, Berlin.
Und ich fand meine Heimat in deinen Straßen
wenn die Nächte zuweilen die Tage vergaßen
und die Sonne nachts nur noch heller schien
ich hab deine Dramen auf Bühnen gesehn
sah sie ungebrochen am Wege stehn
und so singt der Mann mit dem Tamburin:
Ach, Berlin.
Du bist das Land der vielen Gesichter
der Philosophen, Chaoten und Dichter
ein jungenhafter Harlekin
Bist eine einzige Großbaustelle
und reitest auf jeder neuen Welle
mit ner Überdosis Heroin
Du hast deinen Himmel zugebaut
zum selber denken bist du fast zu laut
du bist die Elektropartyqueen
die Erfinderin des Firlefanz
doch auf deinen Dächern beginnt der Tanz
mit den Träumen, Visionen und dem Ruin
Du zeigst dich in allerwelts Gewänder
in deinem Wind wehen etliche Fahnen und Bänder
du bist ne notorische Sammlerin
in allen Sprachen hör ich deinen Namen
und alle, die von weither kamen
sind doch längst schon mittendrin
Oh, Berlin.
Die Suchenden zieht es in deine vier Wände
Sie zu halten, hast du kaum genug Hände
doch die meisten Herzen sind nur geliehn
du bist Rom, Lissabon und Paris in einem
du gehörst allen und dennoch keinem
ich versuch dich zu fassen und dir zu entfliehn
Deine Winter wiegen tonnenschwer
immer Schienenersatzverkehr
zwischen Betonpalästen und Benzin
doch wohin deine Kälte mich auch verjagt
immer werd ich nach dir gefragt
und deinem Namen wird Bedeutung verliehn:
Ach, Berlin?!
Und ich werfe mich wieder in deine Hände
Wer beherrscht schon jemals dein Gelände
und dein Morgen strahlt wieder wie ein Rubin
Die S-Bahn ist mein leuchtendes Schiff
und zieht mich durch Häuserreihen und Siff
wenn die Ratten in den Untergrund fliehn
Dein Bier im Blut, deinen Wahn im Sinn
pulsiert dein Rhythmus in mir drin
und fast schon hab ich dir verziehn
Musik und Gespräche im Innenhofschacht
schon wieder eine kurze Nacht
der Bäcker begrüßt mich mit „Wat wolln Sie’n?“
Ach, Berlin, wer weiß wie lang du mich noch hältst
und dir in den Lumpenpailletten gefällst
du bleibst doch nur ein ewig junger Spleen.
Ach, Berlin.
(MP2014)
|
||||
3. |
Schnee
03:39
|
|||
Ein leises weißes Rauschen
am fernen Himmelgrau
Wolken, die sich bauschen
ein Morgen voller Tau
Und dann falle ich als Schnee
auf deine heißen Wangen
schließ die Augen, Liebster
um mich brauchst du nicht bangen
Nur flüchtig für Sekunden
streich ich dein Gesicht
Doch scheint darin noch stundenlang
mein frisches Winterlicht
So wie verträumter Regen
der ohne Richtung fällt
den in Trunkenheit und Taumel
nichts mehr am Himmel hält
So falle ich als Schnee
auf deine heißen Wangen
schließ die Augen, Liebster
um mich brauchst du nicht bangen
Der Winter macht im Garten
mir ein Bett aus weichen Daunen
Dort werd ich geduldig warten
solang die Tannen raunen
Die Sonne wird mich finden
sie hat manches mit mir vor
Zur Luft werd ich entschwinden
und steig zu ihr empor
Ein leises weißes Rauschen
am fernen Himmelgrau
Wolken, die sich bauschen
du kennst sie schon genau…
(MP2013)
|
||||
4. |
Schaukelzeit
04:10
|
|||
Noch ziehen die kalten Winde ins Weite
und wärmend sitz ich an deiner Seite
Doch bald muss ich mit den Winden ziehn
wie die Minuten unter den Fingern fliehn
In deinen weißen Haaren bricht sich das Licht
doch für immer bleibt dieser Abschied nicht
Denn im Sommer dann bist du nicht länger alleine
dann bin ich deine und du meine
und du hakst dich einfach bei mir ein
und wir laufen ins Sonnenlicht hinein
Denn die Hollywoodschaukel wartet schon
und wir erklimmen den fürstlichen Thron
Und die Füße baumeln im warmen Wind
als das Kinderspiel beginnt:
Und der Kiebitz ruft: „Schau, da schaukelt doch wer!“
Hin und her, hin und her
Wir steigen leicht und sinken schwer
Hin und her, hin und her
Du hast schon meine Mutter in Wiegen gewiegt
und so manchen bösen Drachen besiegt
und auch wenn es dich nun zu Hause hält
find ich bei dir doch noch immer die Wiege der Welt
Und wenn eine Schwalbe den Sommer verheißt
dann komm ich von Ferne angereist
Und ich nehme dich wieder an meine Seite,
wenn ich mit dir zur Schaukel schreite
Und die Schwalbe ruft: „Schau, da schaukelt doch wer!“
Hin und her, hin und her
Als ob Kalifornien in Thüringen wär
Hin und her, hin und her
Und wenn die Schaukel in die Nacht herein schwingt,
dann wissen wir, was die Nachtigall singt: …
Und weht über uns schon die raue Nacht
dann wird im Schlafe noch leise gelacht
und wir sehen uns beide noch immer dort schwingen
und mit der Nachtigall Lieder singen
Und im Traume schwanken wir wie das Meer
Hin und her, hin und her
Die Glieder so leicht und die Lider so schwer
Hin und her, hin und her
(MP2013)
|
Masha Potempa Leipzig, Germany
*1989 Duisburg
2008 Studium in Berlin
2011 Mitglied der SAGO-Akademie für Musik und Poesie
2014 Celler Schule
2015 Programm & EP "Rauchschwalben am Horizont"
2020 Premiere: "Leinen los"
Streaming and Download help
If you like Masha Potempa, you may also like:
Bandcamp Daily your guide to the world of Bandcamp